Neurochirurgie Karlsruhe
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Vagoglossopharyngeusneuralgie

Im Vergleich zur Trigeminusneuralgie tritt die Vagoglossopharyngeus-Neuralgie (VGN) nur im Verhältnis von ca. 1:70 (Greenberg, 1997) bis 1:100 (Tew, 1988) auf, d.h., sie hat eine wesentlich geringere Inzidenz, so dass ihre klinische Diagnostik vor allem dadurch erschwert wird, daß die entsprechenden Krankheitssymptome nicht geläufig sind.


Auf Grund der Beteiligung beider Nerven am Krankheitsbild der „Glossopharyngeus-Neuralgie“ schlugen White und Sweet die anatomisch korrektere Bezeichung „Vagoglossopharyngeus-Neuralgie“ vor (White, 1969), Duus spricht sogar vom „vagalen System“, auf Grund der anatomischen Gemeinsamkeiten des N. intermedius (N. VII), des N. IX, X und XI.

Das Schmerzbild, das später Glossopharyngeus-Neuralgie genannt wurde (s.u.), beschrieb erstmals der Amerikaner Weisenburg (Philadelphia, 1910; zit. Sjöqvist, 1957; Dandy, 1932), der dieses als Störung des IX. Hirnnerven interpretierte. Dieser neuralgische Schmerz wurde begrifflich, wahrscheinlich wegen seines paroxysmalen Charakters, als Teil der Trigeminusneuralgie betrachtet. Der Patient, an dem Weisenburg diese Beobachtung machte, wurde folglich auch unter der Diagnose einer Trigeminusneuralgie operiert. Die spätere Obduktion ergab den Befund eines „Akustikustumors“ (zit. Dandy, 1969).

Sicard und Robineau (1920) haben als erste erfolgreich 3 Patienten an einem Schmerzbild operiert, das einseitig in der Tonsillenregion aufgetreten war. Sie nannten diesen Schmerz „algie vélo-pharyngée essentielle“. Bei diesem Eingriff wurden extrakraniell nicht nur der N. IX, sondern auch der pharyngeale Ast des N. X und auch der zervikale Truncus sympathicus durchtrennt (zit. Gybels, 1989). Der Engländer Harris und der Münchner Siebert (jeweils 1921) beschrieben unabhängig voneinander einige Patienten mit einem identischen Krankheitsbild und gaben diesem den Namen „Glosspharyngeus-Neuralgie“ (zit. Sjöqvist, 1957; Gybels, 1989). In den USA hat Adson (1924) ebenfalls extrakraniell den N IX durchtrennt, wohingegen Fay (1926) und Dandy (1927) als Erste den N IX intrakraniell durchtrennten. Dandy resezierte zusätzlich noch die oberen Anteile des N. X (zit. Sjöqvist, 1957). Dandy beschreibt in dem Buchkapitel „The Brain“ die operative Technik: In Lokalanästhesie wurde über einen retromastoidalen, subokzipitalen Zugang zur hinteren Schädelgrube der IX. Hirnnerv aufgesucht und dieser mittels eines speziellen Messers durchtrennt (zur Durchtrennung der Nerven V, VII, VIII, X verwendete er hingegen spezielle Haken). Postoperativ bestand ipsilateral im hinteren Zungendrittel Ageusie für „bitter“ sowie Verlust jeder epikritischen Sensation jenseits des weichen Gaumens, der Tonsillennische bis zur anterioren Epiglottis und der Öffnung der Tuba auditiva. Der Würgereflex konnte ipsilateral ebenfalls nicht mehr ausgelöst werden.

Die medulläre Traktomie wurde von Sjöqvist lediglich als ultima ratio-Therapie bewertet, da der intrakranielle Eingriff als ebenso sicher wie effektiv angesehen wurde (Sjöqvist, 1957).

Eine Technik, die nicht selten die VGN zumindest vorübergehend auflöste, war die lokalanästhetische Blockade des N IX an seiner Schädelaustrittsstelle im Bereich des Processus styloideus (Technik nach Rovenstine; zit. Umbach 1960, S. 72). Umbach hat zu derartigen Blockaden vn Hirnnerven umfassende Literatur vorgelegt (Umbach 1960). Nicht selten konnte bereits durch einmalige lokalanästhetische Blockade eine völlige Beschwerdefreiheit von Patienten herbeigeführt werden (pers. Mitteilung Arnold, Dietz). Bedauerlicherweise werden derartige Techniken heute in den neurochirurgischen Kliniken nicht mehr praktiziert, so dass sie immer mehr in Vergessenheit geraten. Gerade die Testblockade des N. glossopharyngeus gestattet es, einen UNterschied zwischen Placebo und Verum darzustellen. Über einen endovaskulären Provokationstest zur Erhärtung der Diagnose einer VGN berichtet eine japanische Arbeitsgruppe (Nakano 2014, 350-353).

In Anlehnung an die kontrollierte, perkutane Thermorhizotomie des Ganglion gasseri nach Sweet führte Tew (1977, 1988) die extrakranielle, kontrollierte, perkutane Thermorhizotomie des N. IX im Bereich des Foramen jugulare durch.

Ähnlich wie bereits bei der Trigeminusneuralgie, die auf Grund der Ergebnisse von Jannetta nicht mehr idiopathisch, sondern auf Grund der vaskulären Kompression der Trigeminuswurzel symptomatisch war, führte Jannetta die Methode der mikrovaskulären Dekompression (MVD) der denN IX komprimierenden PICA oder seltener auch einer A. vertebralis bei Vagoglossopharyngeusneuralgie durch und berichtete eine umfassende Serie von 117 Patienten mit Kompressionssyndromen an den kaudalen Hirnnerven (Jannetta, 1977).

In der größten bisher vorgelegten Serie von 86 Patienten mit VGN (Resnick, 1995) wurden Langzeiterfolge (sehr guter Erfolg) von 76% angegeben. Die Ergebnisse liegen damit ca. 20% unter den Langzeitergebnissen bei TGN (Umfrage deutscher Neurochirurgischen Kliniken: über 90%, siehe Winkelmüller), die operativen Risiken sind jedoch gleichrangig (McLaughlin, 1999).

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