Neurochirurgie Karlsruhe
Neurochirurgie Karlsruhe

Intraoperative Blutungskontrolle

Blutungen aus Venen oder Arterien stellten und stellen bis heute eine der grössten Probleme in der Chirurgie im Allgemeinen und in der Neurochirurgie im Besonderen dar, weil sie u.a. die freie Sicht auf den Situs und dadurch das ungestörte, gewebsschonende Operieren erheblich negativ beeinflussen. Noch bis in die 1920er Jahre wurde in der Neurochirurgie bei intrakraniellen oder intraspinalen Eingriffen bei unkontrollierbaren Blutungen deshalb oftmals sterile Wundgaze in die OP-Wunde als Kompresion eingebracht, die Wunde danach verschlossen und am darauffolgenden Tag die OP fortgeführt, da die endogene Gerinnung und der kompressive Effekt der Gaze zur Blutstillung führte. 

Heute werden in der Chirurgie allgemein zwei Formen der Koagulationstechnik unterschieden: Die monolare (Bovie; s.u.) bzw. die bipolaren Art der Koagulationstechnik (Greenwood; s.u.), die auch als Hochfrenz- oder HF-Chirurgie bezeichnet werden.

Monopolare Koagulationstechnik: Durch die Zusammenarbeit mit dem Physiker Dr. William T. Bovie (1882-1958) entwickelte Cushing einen Hochfrequenz-Generator (HFG), mit dessen Hilfe man koagulieren, dissezieren und Gewebe durchtrennen konnte, ohne dass es aus diesen blutete.  Bovies Name wurde später als Verb genutzt, in dem der Ausdruck "bovien" als Verb benutzt wurde. Mittels Bovies HFG war man nun in der Lage, eine bis dahin deutlich effizientere Blutstillung herbeizuführen. Erstmals operierte Harvey Cushing 1926 einen Hirntumor mit diesem "Bovie" (Bulsara 2006). Die Nachteile dieser monopolaren Koagulationstechnik waren evident: Der Strom wanderte vom Pluspol auf kürzestem Weg durch das Gewebe zum (Erdungs)negativpol und ist damit in der Lage, dasselbe zu schädigen. An relativ indifferentem Gewebe, wie s.c. Knocheng- oder Fettgewebe oder Muskulatur spielt das eher eine geringere Rolle, bei Arbeiten an Strukturen des peripheren oder zentralen Nervensystems ist diese Koagulationstechnik deshalb potentiell katastrophal. In der Neurochirurgie wird die monopolare Technik je nach Präferenz des Chirurgen zur zeitsparenden Koagulation des Subcutan- und des darunter liegenden Fettgewebes bei lumbalen Wirbelsäulenoperationen genutzt, da Blutungen aus kleineren Arterien sehr zeitaufwendig zu kontrollieren sein können. Durchtrennungen der Haut werden in der Neurochirurgie vor allem aus kosmetischen nicht monopar vorgenommen, da diese unästhetische Narben hinterlassen. In der Herzchirurgie z.B. wird jedoch nicht selten, wohl aus Zeitgründen, monopolar auch die Haut und danach das subcutane Gewebe bis auf das Sternum durchtrennt und am Ende einer OP die Wundränder dann mittels Wundklammern, wiederum aus Zeitgründen, verschlossen. Die postoperativen Narbenergebnisse stellen sich dann entsprechend dar.

Bipolare Koagulationstechnik: Diese erheblichen Nachteile des Bovie-Generators erkennend, entwickelte der amerikanische Neurochirurg James Greenwood (1907-1993) 1940, damals als Neurochirurg am Hermann and Jefferson Davis Hospitals, später am Methodist Hospital, Houston (TX) tätig, eine sog. bipolare Koagulationstechnik, in der Strom nur zwischen den beiden unisolierten Pinzettenspitzen verlief und das dazwischen Gewebe, z.B. Gefäße, wesentlich gewebsschonender koagulieren konnte. Später kombinierte Greenwood seine bipolare Pinzette mit einer Absaugvorrichtung, die es gestattete, Blutungen aus kleinen Gefäßen noch besser zu koagulieren (Greenwood 1940, Greenwood 1942, zit. Greenwood 1955). Ohne diese bipolare Koagulationstechnik ist die moderne und gewebsschonende mikrochirurgische Neurochirurgie heute undenkbar. Über seine mehrjährigen Erfahrungen mittels dieser neuen Koagulationsmethode berichtete Greenwood später (Greenwood 1955). Betrachtet man die Form der von Greenwood entwickelten bipolaren Pinzette, eine sog. "Bajonett-Pinzette"so stellt man fest, dass diese im Grundprinzip bis heute so unverändert angewendet wird.

Bis anhin war es auf Grund des physikalischen Grundprinzips der monopolaren Blutungskontrolle z.B. undenkbar, anastomosierte Gefäße offen zu halten, da die Stromapplikation nach dem Giesskannenprinzip sozusagen alles Blutende auf der Oberfläche verschloss. Ab 1951 entwickelte der amerikanische Neurochirurg Leonard Malis (1919-2005) zusammen mit seinem Bruder Jerry Malis, einem Physiologen, ein Gerät, das letztlich nur als Weiterentwicklung der Greenwood-Methode betrachtet werden kann. Die Mitteilung  Malis´ also, dass ihm erst die Greenwood-Erfindung 1953 durch Leo Davidoff (1898-1975) zur Kenntnis gelangt sei (McFadden 2000), bestätigt nur, dass Malis die Greenwood-Technik lediglich weiterentwickelt, keinesfalls aber erfunden hat (McFadden 2000), oder, wie McFadden zutreffend schreibt: "inventing and improving are entirely different matters" (McFadden 2000). Mittels dieser Koagulationsmethode war es nun möglich, derartige Anastomosen so zu operieren, dass sie offen blieben. Yasargil, der 1965 in das mikrochirurgische Labor des kanadischen Neurochirurgen Raymond Madiford Peardon Donaghy (1910-1991) nach Burlington (VT) kam, gelang es nach sechsmonatigem Training erstmals, an Tiereextremitäten Anastomosen von Gefäßen in mikrochirurgischer Technik unter Nutzung bipolaren Stroms so zu operieren, dass diese offen blieben, sie also hämadynamisch wirksam blieben. Yasargil stellte 1966 auf einer Tagung am Mount Sinai Hospital New York City (NY) seine bemerkenswerten Ergebnisse als auch sich zunächst als Erfinder des Generators dar; er wurde jedoch von Malis, der im Auditorium sass, dahingehend korrigiert, dass er der Erfinder des Gerätes war (Savitz 1999). Der Grund war, dass der Maliskoagulator mittels Isolierband repariert worden war und der Name "Malis" dabei überklebt wurde  (Savitz 1999).

Eingedenk des oben Genannten sind aber weder Malis´ noch Yasargil´s Feststellungen bzgl. der Erfindung des bipolaren Koagulators korrekt; James Greenwood war der Erfinder der bipolaren Koagulation. Erst durch die Kombination der kontrollierten Blutstillung durch bipolare Pinzetten und Nutzung damals moderner OP-Miskoskope war die Basis für die moderne Mikroneurochirurgie gelegt, wie sie heute als unentbehrlicher Standard in einer anspruchsvollen Neurochirurgie gilt. 

 

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