Neurochirurgie Karlsruhe
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Processus supracondylaris-Syndrom

Geschichtliches: Lund ist der Erstbeschreiber dieses Syndroms

siehe
Lund, HJ (1930)
Fracture of the Supracondyloid Process of the Humerus
JBJS (A), 12: 925-928.

Klinik: Der Patient verspürt Schmerzen am medialen distalen Bauch des M. biceps brachii, die nach distal in die Beugeseite des Unterarmes und nach proximal Richtung Schulter ausstrahlen kann. Er kann aber auch rein lokal an der Stelle der Nervenkompression sein.

Differentialdiagnose: Pronator teres-Syndrom (s.u.), Epicondylopathia humeri radialis (EHM), Insertionstendinose.

Ursache: Ursächlich kommt hier sowohl eine Kompression durch Pulsationen der A. brachialis in Frage, also eine vaskuläre Kompression ähnlich dem Hinteren Tarsaltunnelsyndrom (HTS, s.u.), die den Nerv hier begleitet als auch durch das Struther´sche Ligament, das eine bandartige Struktur ist, die vom Epicondylus humeri medialis zur einer atavistischen Knochenstruktur, dem Processus supracondylaris, zieht und so den N. medianus komprimiert. Dieser Knochensporn ist bei Menschen in ca. 0,3-2,7% nachweisbar (Pecina 2000).

Bildgebung: Konventionelle Röntgenaufnahme des distalen Humerus sowie des Ellenbogengelenks. Zeigt ggf. den Processus supracondylaris als typischen Knochensporn. Die Anfertigung einer MRT kann u.U. eine ödematöse Signalanhebung des N. medianus unterhalb der Bandstruktur bzw. eine Taillierung (Kalibersprung) nachweisen. Klinisch sollte ein PTS stets ausgeschlossen werden. Sollte auch ein Schmerz oberhalb der Pronator teres-Loge nachweisbar sein und sich bildmorphologisch kein Processus supracondylaris finden, sollte zunächst nur die Pronator teres-Loge dekomprimiert werden.

Therapie: Spaltung des Struther´schen Ligaments und Abtragen des Knochensporns.

 


 
Die Röntgenbilder zeigen den Zufallsbefund eines asymptomatischen Processus supracondylaris
(Quelle: Prof. Dr. Rüdiger Hepp)

 

 

Pronator teres Syndrom (PTS)

Geschichtliches: Als Ursachen für die Entstehung eines PTS wurden folgende Ursachen angenommen: Myositis (Seyffarth 1951), Aponeurose (Fearn & Goodfellow 1965), Unterarm-Trauma (Thompson & Copell 1963), dynamische Beziehung  zwischen N. medianus und Unterarmmuskulatur mit Auslösung durch sich monoton wiederholende körperlicher Tätigkeit mit häufiger Rotation des Unterarms (vor allem Pronation) gegen das Ellengelenk (Domljan 1969) sowie anatomische Varianten durch Aponeurose des M. flexor digitorum superficialis und des Lacertus fibrosus bzw. Hypertrophie des M. pronator teres (Hartz et al. 1981) (sämtliche Zitate aus: Pecina MM et al. (2000). Tunnel Syndromes  103, CRC Press, Boca Raton)

Beschwerden: Häufig Schmerzen im Bereich der proximalen Unterarmbeugeseite ulnarseitig. Die Schmerzen ziehen nicht selten nach proximal wie beim KTS bis zu den vorderen Anteilen des Schultergelenkes  bzw. nach distal zum Handgelenk, ebenfalls ähnlich dem KTS. Die klinische Diagnostik erfolgt klinisch durch Druck auf die Medianuskompressionssstelle und gleichzeitiger Handpronation gegen Widerstand. Hierdurch erfolgt eine erhebliche Schmerzverstärkung. Die Gegenseite ist bei nur einseitiger Symptomatik bei der Untersuchung unauffällig. Nur in einer späteren Phase kann auch die Hilfsdiagnostik wie die Elektrophysiologische Untersuchung ebenfalls auffällig sein (vor allem sensibel). Eine MRT sollte stets angefertigt werden, um unerwartete Pathologien darzustellen. Häufig gestaltet sich die Darstellung des N. medianus im Pronator-teres-Tunnel schwierig wegen der Signale der umgebenden Gefäße.

Differentialdiagnosen: Karpaltunnelsyndrom, Wurzelkompression C6 und/oder C7.

Ursache: Indirekte Kompression des N. medianus durch das Lacertus fibrosus, direkte Kompression des N. medianus im Bereich des Eintritts des N. medianus in den Pronator teres-Tunnel durch meist eine relativ scharfkantige Aponeurose des oberen Bauches des M. pronator teres oder des M. flexor digitorum superficialis. Ebenfalls kann es zu einer vaskulären Kompression des N. medianus durch die A. brachialis oder radialis kommen, die in direktem Kontakt zum N. medianus laufen können.

Operative Therapie: Spaltung des Lacertus fibrosus, Spaltung der Aponeurose des M. pronator teres, langstreckige Neurolyse des Nerven, selten Dissektion des Nerven von der A. brachialis oder radialis notwendig.

Karpaltunnelsyndrom (KTS)

Geschichtliches:
Erstbeschreibung einer Medianuskompression nach einer alten Radiusfraktur loco typico in Höhe des proximalen Karpaltunnels durch James Paget (1854). Friedrich Schultze veröffentlichte 1893 eine Arbeit über die „Akroparästhesie“ (Schultze, F (1893). Ueber Akroparaesthesie. Dtsch Z Nervenheilk 3: 300-318). Die Erstbeschreibung des klinischen Gesamtbildes des Karpaltunnelsyndroms stammt von Pierre Marie und Charles Foix (1913). Sie erkannten das Ligamentum carpi transversum (LCT) als hauptursächlich für die Beschwerden (zit. Pecina 2000). Die Durchtrennung des LCT wurde erstmals von Moersch et al. 1938 vorgenommen (zit. Phalen 1966). Cannon und Love veröffentlichten eine erste operative Serie von nur 9 Patienten 1946, Brain et al. ihre noch kleinere Serie von 6 operierten Patienten 1947 (zit. Phalen 1966). George Phalen veröffentlichte 1966 dann eine erste große Serie von 654 operierten Karpaltunnelsyndromen seit 1949 (Phalen, GS (1966). The Carpal-Tunnel Syndrome. JBJS (A). 211-228.). Die isolierten Störungen im distalen Medianusbereich wurden ab Mitte der 1940er Jahre von angloamerikanischen Autoren zum „Karpaltunnelsyndrom“ zusammengefaßt (Scheid 1983). Anfängliche Beschreibungen, wie der von Robert Wartenberg (1944) geprägte Ausdruck „Brachialgia statica paresthetica“, oder der von Janzen (1950) abgewandelte Terminus „Brachialgia paraesthetica nocturna“ (Janzen 1950, zit. Mumenthaler 1965) werden heute kaum noch benutzt.

Beschwerden: In der Frühphase typisches Einschlafen oftmals nur des Mittelfingers, später dann auch des Zeigefingers sowie des Daumens und auch der radialen Hälfte des Ringfingers. In dieser Phase oder auch erst später sind die Beschwerden oft nur nachts vorhanden, dann auch zur Schulter ziehende Armschmerzen und Wachwerden davon. Hände ausschütteln und kaltes Wasser über Hand laufen lassen bringen manchmal kurzzeitig Beschwerdeerleichterung. Tagsüber sind in dieser Phase oftmals bei der klinischen Untersuchung keine sensomotorischen Defizite nachweisbar, lediglich das Beklopfen des Nerven im Bereich des Karpaltunnels, das sog. „Hoffmann-Zeichen“ ist in 80% positiv (Pecina 2000). 

Differentialdiagnose: Pronator teres-Syndrom, Wurzelkompressionssyndrom C6 und oder C7

Ursache: Der N. medianus tritt im Übergang vom distalen Unterarm in die volare Handfläche in einen Tunnel ein (Canalis carpi), der nach unten und nach beiden Seiten durch Handwurzelknochen und nach oben (Handfläche) von einem derben Band bedeckt wird (Lig. carpi transversum = LCT), das quasi den Karpaltunnel überdacht. Er hat eine Länge von ca. 3-4 cm. Oft ist dieses Band verdickt und bildet die Hauptursache der Entstehung eines KTS, da der N. medianus nicht ausweichen kann. Auch das vor dem Handgelenk liegende Retinaculum volare, das direkt an das LCT grenzt, kann kompressiv wirken. Zusätzlich kann auch die in der Hohlhand dem LCT aufliegende Palmaraponeurose sehr derb sein und zusätzlich den N. medianus einengen (sie kann Ursache eines KTS-Rezidivs sein, obwohl das LCT vollständig gespalten ist).

Elektrophysiologische Diagnostik: Wenn man die Literatur zur elektrophysiologischen Diagnostik peripherer Nervenläsionen im Allgemeinen und beim Karpaltunnelsyndrom liest, wird diese als "Goldstandard" bezeichnet. Im positiven Fall, also der elektrophysiologischen Bestätigung eines KTS findet sich im Seitenvergleich eine reduzierte NLG auf der betroffenen Seite. Zu beachten ist aber generell, daß die elektrophysiologische Untersuchung eine Versagerquote bis zu einem Drittel hat, d.h., ca. ein Drittel aller untersuchten Patienten werden falsch negativ befundet ( http://www.neurochirurgie-karlsruhe-online.de/periphere-und-zentrale-nervenchirurgie/periphere-nervenkompression/diagnostik/hilfsdiagnostik/elektrophysiologie/  ). Als Ergebnis einer Konsensus Konferenz zum Stellenwert der elektrophysiologischen Diagnostik des Karpaltunnelsyndroms, basierend auf einer epidiomologischen Untersuchung wurde festgestellt, daß die elektrophysiologische Diagnostik keinen "Goldstandard" aus den oben genanten Gründen darstellt (Rempel et al. 1998, zit. Werner 2011, S. 607). Die Autoren der AANEM-Monographie zum elektrophysiologischen Stellenwert bei der Diagnostik des Karpaltunnelsyndroms kommen zum Schluß, daß in der Mehrheit der Fälle eine sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung ausreichend sind um ein KTS zu diagnostizieren und entsprechende Therapieschritte einzuleiten. Umso mehr verwundert es angesichts der seit 1998 bekannten Daten aus den USA, daß in Standarlehrbüchern (Adams and Victor´s Principles of Neurology, 9th Edition, 2009) unverändert der "Goldstandard" der Elektrophysiologie betont und zudem auf Übersichtsarbeiten aus dem Jahre 1987 verwiesen wird (Stevens JC (1987), zit. Ropper & Samuels (2009), S. 1315)).

Bildgebende Diagnostik: Die MRT gestattet problemlos die Darstellung und die Beurteilung des Nerven sowohl in der T1-, als auch in der T2-Wichtung im Canalis carpi selbst. Oftmals stellen sich in der T2-Wichtung einzelne Faszikel des Nerven dar, die ödematös signalangehoben sind. Auch läßt sich der N. medianus hinsichtlich seiner Morphometrie problemlos beurteilen. Wie an anderem Ort  festgestellt, gestattet die MRT, anders als die neurophysiologische Untersuchung, auch die Darstellung anderer Begleitpathologien, die eine Medianusreizung oder –kompression herbeiführen können (z.B. Ganglien, Enthesiopathien, Tenosynovialitiden). In der aktuelleren Literatur werden daher sowohl der MRT als auch der sonographischen Untersuchung immer mehr Bedeutung beigemessen (Cerefolini Kapitel 10: S. 75-81 in: Luchetti & Amadio 2007).

Therapie: Spaltung des Retinaculum volare, der Palmaraponeurose sowie des LCT. Es existieren zahlreiche Zugänge zum Karpaltunnel in offener oder endoskopischer OP-Technik. Der Zugang sollte möglichst atraumatisch sein. Das allgemeine operative Risiko ist bei der endoskopischen OP-Technik etwa doppelt so hoch wie bei der offenen OP-Methode, aber insgesamt sehr gering und bewegt sich im kleineinstelligen Prozentbereich.

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