Neurochirurgie Karlsruhe
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Nervus ulnaris (Perisulcale Ulnariskompression)

Geschichtliches: Der Franzose Photinos Panas (1832-1903) hat möglicherweise als Erster klinisch ein motorisch-defizitäres perisulcales Ulnariskompression beschrieben (Panas 1878). Die erste Ulnarisdekompressionen im Bereich des Sulcus ulnaris wurde von Curtis 1898 vorgenommen. 1957 berichtete der Liverpooler Chirurg Mr. Geoffrey Vaughan Osborne (1918-2005) anläßlich der Herbsttagung der Britischen Orthopädischen Vereinigung vom 3.-5.10.1957 in London über die erfolgreiche Spaltung einer Aponeurose, die die beiden Köpfe des M. flexor carpi ulnaris zwischen dem Epicondylus medialis und dem Olecranon verbinden. Dieses Band wird später auch als Osborne´s  ligament bezeichnet.  Spätere Publikationen haben die verschiedenen OP-Techniken zur Dekompression des N. ulnaris an dieser Stelle beschrieben.

Klinik: Die Patienten berichten oftmals über ein Kribbeln im Außenfinger oder in der ulnaren Seite des Ringfingers. Bei sorgfältiger Anamnese läßt sich dann zusätzlich erheben, daß einerseits die Kraft in der betroffenen Hand nachgelassen habe bzw. über Schmerzen, die zum ipsilateralen mittleren Schulterblattrand ziehen. Selten werden die Patienten mit bereits deutlich sichtbaren Atrophien der ulnarisversorgten Handmuskulatur vorgestellt. Die rein klinische Diagnose ist relativ einfach: Ein sehr frühes klinisches Zeichen eines SNUS ist ein nach dem französischen Internisten Jules Froment (1878-1946) benannte Froment´sches Zeichen   oder eine Variante davon, bei der sich eine Schwäche der Daumenadduktion erheben läßt: Bei gestrecktem Daumen und Zeigefinger gelingt es dem, Untersucher problemlos, mit seinem Zeigefinger durchzufahren, im Gegensatz zur gesunden Seite, auf der dieser Test nicht gelingt, weil die Daumenadduktion intakt ist. Es empfiehlt sich, stets erst mit der "gesunden" Seite zu beginnen. Ferner findet sich eine Schwäche des M. flexor carpi ulnaris, die aus anatomischen Gründen eine Läsion an der Lôge de Guyon (Jean Kasimir Félix Guyon (1831-1920)) ausschliesst.

Ursache: Der N. ulnaris verläuft im Bereich der Hinterfläche des Epicondylus medialis durch eine knöcherne Rinne, der sog. Ulnarisrinne. Er kann in seinem  Verlauf  in diesem Bereich an folgenden anatomischen Engpaßstellen komprimiert werden:

• Vor dem Sulcus ulnaris im Bereich des Septum intermusculare mediale sowie der nach dem schottischen Anatomen John Struthers (1823-1899) benannten Arkade (in ca. 10-20% der Fälle)
• Im Sulcus selbst (ca.40-45% der Fälle)
• Im Bereich  des Cubitaltunnels (ca. 40-45% der Fälle) oder
• Perisulcal im gesamten Verlauf des N. ulnaris

Elektrophysiologische Diagnostik: In einer Übersichtsdarstellung über die Behandlung des Kubitaltunnelsyndroms wird eine schwedische Studie zitiert, in der lediglich 24% der insgesamt 70 in die Studie eingeschlossenen Patienten überhaupt elektrophysiologische Auffälligkeiten aufwiesen (Sternlöv 2007, zit. Füllbier 2011 S. 299). Damit liegt die Sensivität der elektrophysiologischen Meßmethode bei ca. 25% und damit deutlich schlechter als beim Karpaltunnelsyndrom (66%) und um die Hälfte schlechter als der Münzwurf (50%). Angesichts dieser Zahlen ist die Relevanz der elektrophysiologischen Messung bei perisucaler Ulnariskompression als fehlend anzunehmen. Jede qualitätssichernde Maßnahme zu diesem Krankheitsbild, vor allem sog. Leitlinien, das die elektrophysiologische Messung als mandatorisch fordert, ist angesichts dieser schwedischen evidenzbasierten Studie in Frage zu stellen.

Bildgebende Diagnostik: Ähnlich wie bei Karpaltunnelsyndrom versagt die bildmorphologische Diagnose eines SNUS mittels MRT praktisch nie. Der nerv läßt sich problemlos im Sulcus bzw. proximal und distal davon darstellen. Für ungeübte Radiologen sind die Darstellung des N. medianus im Karpaltunnel  und die des N. ulnaris im Sulcus quasi der Anfängereinstieg in die MRT-Diagnostik  peripherer Nervenengpässe. Die elektrophysiologische Diagnostik versagt bei leichten perisulcalen Ulnariskompressionen regelhaft und ist daher aus wirtschaftlichen Gründen entbehrlich. Zusätzlich gestattet die MRT auch die Darstellung anderer Komorbiditäten perisulcal (Rosenow  DE, Friedburg  HG, Schnorpfeil  F (2001).

Konservative Therapie: Die aktuelle Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Diagnostik und Therapie der chronischen Ulnarisneuropathie (Füllbier 2011, S. 299) hält bei milder oder intermittierender Symptomatik einen konservativen Therapieversuch von 3 Monaten für gerechtfertigt. Bislang liegt nur eine randomisierte kontrollierte Studie (Research Clinical Trial (RCT)) zur Effektivität der konservativen Behandlung vor (Svernlöv et al. 2007, zit. Füllbier 2011, S. 299), in der 57 Patienten über 6 Monate untersucht wurden. In 89,5% der Patienten mit milder oder moderater Symptomatik konnte durch Aufklärung über auslösende und beschwerdeverstärkende Maßnahmen eine Besserung erzielt werden, wohingegen eine nächtliche Schienung zu keiner zusätzlichen klinischen Verbesserung führten. Eine routinemäßige elektrophysiologische Untersuchung war ebenfalls erfolglos, da 76% der beobachteten Patienten trotz klinischer Symptome keinerlei elektrophysiologische Auffälligkeiten aufwiesen, ferner 75% der Patienten mit pathologischen Veränderungen eine Besserung unter konservativer Therapie aufwiesen. Szabo et al. fanden ca. 50% Spontanbesserung ohne jegliche Behandlung (Szabo et al. (2007). In: Zlotolow DA et al. 311-318)).

Operative Therapie: Verschiedene operative Therapieformen wurden beschrieben. Die einfache perisulcale Dekompression ist dabei die schnellste, effektivste und komplikationsärmste Methode. Die heute (leider) oft noch angewendete Methode der volaren, submuskulären Verlagerung als Primär- oder Sekundäreingriff (Transposition) hat eine ungleich höhere Komplikationsrate als die  einfache Dekompression. Sie wird oftmals auch falsch durchgeführt, da der Verlauf des N. ulnaris perisulcal auf Grund einer zu kurzen Schnittführung gewinkelt verläuft. Durch die normale Narbenbildung wird der N. ulnaris dann narbig eingemauert und führt oftmals zu unangenehmen Schmerzen am medialen Epicondylus. Des Weiteren werden die kleinen Nervengefäße (die Vasa nervorum) bei dieser OP-Technik unvermeidbar zerstört, was sich ebenfalls komplizierend auswirken kann. Rückverlagerungen eines transponierten Nerven in sein altes „Bett“ ist in exakter Weise nicht möglich, da der Sulcus bindegewebig zugemauert ist. Man kann den N. ulnaris dann nur vor sein altes Bett zurückverlagern, so daß ebenfalls unangenehm Nervenluxationen auftreten können. Zwar zeigen Langzeituntersuchungen, daß bei korrekter Durchführung der Technik der volaren Nervenverlagerung unter oder in den oberen Bauch des M. pronator teres mit angenähert geradlinigem Verlauf des N. ulnaris vom distalen Oberarm bis in den proximalen Unterarm keine statistisch signifikanten Unterschiede im Vergleich zur „einfachen“ Dekompression ergeben (Gervasio 2005, Kamat 2014), die Rückkehr an den Arbeitsplatz, ein heutzutage  nicht nur in Deutschland wichtiges volkswirtschaftliches Kriterium, dauert jedoch bei erstgenannter Technik erheblich länger als bei letztgenannter.

Syndrom der Lôge de Guyon

Geschichtliches: Der Erstbeschreiber dieses Krankheitsbildes war Felix Guyon (Guyon F (1861) Note sur une disposition anatomique propre à la face antérieure de la région du poignet et non encore décrite Bull. Soc. Anatomique 36: 184).

Beschwerden: Schmerzen am ulnaren Handgelenk neben dem Os pisiforme mit oder ohne Ausstrahlung in die ulnare Handkante bzw. des Kleinfingers (häufig) und des Ringfingers (seltener). Oftmals begleitet von Taubheit in den anderthalb Außenfingern. Selten Verschmächtigung der Handbinnenmuskulatur durch Läsion des R. profundus n. ulnaris.

Differentialdiagnose: Höher gelegene Ulnariskomression (klinische Untersuchung), C8-Syndrom (klinische Untersuchung, MRT-Bildgebung der HWS).

Bildgebung: MRT kann die ödematöse Signalanhebung zeigen. Ferner können so andere symptomatische Ursachen ausgeschlossen werden (Ganglion). Ist präoperativ mandatorisch.

Ursache: Eine primäre isolierte Kompression des N. ulnaris unterhalb des Retinaculum volare ist relativ selten. Häufiger ist eine narbige Kompression nach erfolgter Karpaltunnel-OP mit Kompression des N. ulnaris gegen das Os pisiforme bei primär engen Verhältnisse in der Lôge de Guyon.

Operative Therapie: Vollständige Spaltung des Retinaculum volare.

 

 

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