N. ischiadicus
Geschichtliches: Yeoman (1928) wird zugeschrieben, als Erster den Zusammenhang zwischen dem Ischiasnerv und seinem im Bereich des M. piriformis erkannt und beschrieben zu haben (zit. Pecina M et al. (2000). Tunnel Syndromes, S. 217).
Beschwerden: Klinisch bestehen Schmerzen, die über das Gesäß bis in die Fußsohle ausstrahlen können. Häufig werden auch Parästhesien angegeben (Tackmann et al. (1989). Kompressionssyndrome peripher Nerven, Springer, S. 409). Ferner Druckschmerz oberhalb des Foramen ischiadicum majus.
Differentialdiagnose: Die Entstehung aus den Wurzeln L4 bis S3 macht die Liste der Differentialdiagnosen lang. Typischerweise ist aber vor allem an eine S1-Radiukulopathie verschiedener Ursachen (Lipomatosis spinalis, ein- oder beidseitige Wurzelkanalstenose, Bandscheibenvorfall) zu. Ferner ein- (häufig) oder beidseitige (sehr selten) Blockierung des Sakroiliakalgelenkes mit pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung entlang Beinrückseite praktisch nie tiefer als bis zur Kniekehle, bei im Segment lumbosakral voroperierten Patienten dann auch gelegentlich ipsilateral Ziehen bis zur Fußinnenseite (N. tibialis posterior) oder bis zur Fußaußenkante (N. suralis). Sehr selten ist eine Ischiadicuskompression im Bereich des kleinen Beckens.
Ursache: Die topographische Gliederung des N. ischiadicus ist so angelegt, wie seine beiden Nervenstämme, der N. tibialis und peroneus communis, weiter distal verlaufen: Der peroneale Anteil verläuft außen, der tibiale innen. Insgesamt ist der tibiale Anteil am Nervenquerschnitt größer als der peroneale. Das bedeutet, daß die peronealen Faszikel im kleinen Becken durch Druck gegen die knöchernen Anteile stärker druckgefährdet sind als die tibialen Faszikel. Daher ist bei unklaren N. peroneus-Affektionen (z.B. Fußheberparese) auch nach einer Raumforderung im kleinen Becken zu fahnden, z.B. durch eine Metastase oder eine andere intrapelvine Raumforderung (s. N. femoralis). Diese Raumforderungen können den N. ischiadicus gegen die Beckenwand drücken.
Bildgebung: Eine MRT ist nicht hilfreich, weil der Verlauf des N. ischiadicus im Bereich des M. piriformis sehr unterschiedlich ist und der eingenommene dreidimensionelle Raum die Darstellung erschwert. Die Darstellung des N. ischiadicus in der MRT hingegen bereitet in seinem Verlauf vor und hinter dem M. piriformis kaum Probleme, zumal er der kaliberstärkste periphere Nerv des Menschen ist. Zum Ausschluß von Raumforderungen mit Druck auf den N. ischiadicus können jedoch MRT und auch CT (Beurteilung knöcherner Strukturen) sinnvoll sein.
Therapie: Die Ergebnisse der chirurgische Dekompression des Nerven im Bereich des M. piriformis sind sehr schlecht (Erfolgsquote bei ca. einem Drittel), weil atypische höher gelegene Kompressionen (z.B. S1-Wurzelreizung oder -kompression) nicht als solche erkannt werden (z.B. bei der Lipomatosis spinalis). Aus oben genannten Gründen sollte die Indikation zur OP eines „Piiformis-Syndroms“ sehr zurückhaltend gestellt werden, zumal der postoperative Verlauf für den Patienten sehr beschwerlich ist wegen des transglutäalen Zugangs.