Neurochirurgie Karlsruhe
Neurochirurgie Karlsruhe

Gründung der ersten neurochirurgischen Abteilung in Basel

Rudolf Nissen, ehemals 1. Oberarzt bei Sauerbruch, der als Jude wegen der Verfolgung durch die Nazis über Istanbul (1933-1939), Boston (1939-1941) nach New York (Albert Einstein College of Medicine, 1941-1952) geflohen war und 1952 Ordinarius für Chirurgie an der Universität Basel wurde, hatte in den USA gesehen, daß eine Subspezialisierung in den chirurgischen Fächern unausweichlich war und dort sukzessive voranschritt. Vor allem aus Gründen des narzißtischen Machterhalts der Lehrstuhlinhaber war man diesbezüglich in Mitteleuropa, also vor allem in Deutschland, hier noch sehr zögerlich. So war es folgerichtig, daß Nissen in Basel eine neurochirurgischen Abteilung einrichtete, da bislang "der weit überwiegende Teil der Hirnchirurgie von Allgemeinchirurgen gemacht wurde, oft mit unzulänglicher Diagnose, Indikation und Erfolgsquote" (Nissen 1969, S. 345).

Nissen kritisierte, daß aus seiner Sicht "die Neurochirurgen nicht immer das Notwendige getan haben, um ihrem Fach die wünschenswerte Verbreitung zu verschaffen" (Nissen 1969, S. 346). Nissen hatte bei seinen Antrittsverhandlungen seitens der Behörden in Basel-Stadt die Zusage erhalten, einen Neurochirurgen einstellen zu dürfen. Aus "Loyalitätsgründen" hatte er dabei den Antrag durch die Fakultät gehen lassen. Der Neurologe (gemeint: Felix Georgi) schlug dabei vor, einen kurz geschulten Assistenten die "kleine" Neurochirurgie machen zu lassen, und daß die Patienten der "großen" Neurochirurgie nach dem Zentrum einer anderen Stadt (gemeint: Krayenbühl, Zürich) geschickt werden sollten. Ob denn dieses Zentrum davon wisse, wollte Nissen wissen. Diese Frage wurde vom Neurologen bejaht (Nissen 1969, S. 346). Nissen antwortete, ".. daß es vielleicht "kleine" Neurochirurgen, aber keine kleine Neurochirurgie gäbe, und daß sich aus einem kleinen Leiden bei näherem Zusehen während der Operation als groß erweisen könne." Zur Erläuterung muß man wissen, daß sich Georgi und Nissen während ihrer gemeinsamem Zeit in Basel stets aversiv gegenüber standen. Nissen hatte sich aus nicht genau bekannten Gründen gegen eine Berufung Georgis auf das Ordinariat in Basel ausgesprochen. Außerdem hatte Georgi immer wieder mal bei Otfrid Foerster in Breslau "beim Operieren zugeschaut" (Georgi 1964), so daß sich die Georgi´schen Äußerungen so besser verstehen lassen.

Wilhelm Driesen

Nissen übertrug ab 1952 oder 1953 die neurochirurgischen Abteilung zunächst Wilhelm Driesen, der zur ersten Gruppe der deutschen Neurochirurgen gehörte, die noch bei Tönnis in Bochum-Langendreer ab 1946 arbeiteten und ihn 1951 nach Köln begleiteten, wo an der Universität nach dem 2. Weltkrieg in der Bundesrepubklik die erste selbständige Klinik gegründet wurde. Driesen wurde zum 01.01.1955 auf die Leitung der neurochirurgischen Klinik der Universitätsklinik Tübingen berufen, die 1966 in ein Extraordinariat und 1970 in ein Ordinariat umgewandelt wurde (Arnold et al, 2001, S. 101, 106, 108, 145, 518). Driesen leitete die Klinik in Tübingen von 1955 bis 1982.

Max Klingler-Hegi (1917-1994)

Klingler wurde 1917 in Winterthur (ZH) geboren und absolvierte die Primarschule in Gossau (SG). Matura 1936 und im selben Jahr Beginn des Medizinstudiums in Basel, Zürich und Genf. 1942 Staatsexamen in Genf. Promotion bei Prof. Adolf Franceschettii über Sehstörungen bei Schädelverletzungen. Danach ärztliche Tätigkeit in Basel bei Hans Staub am pharmakologischen institut und danach in der Medizinischen Uniklinik. Klingler wurde später Mitarbeiter bei Robert Bing  am Neurologischen Ambulatorium. Danach Fortbildung am National Hospital London of Mental Health in Neurologie und Neuropathologie. danach Tätigkeit bei Tönnis, Köln, sowie 1948/50 bei Krayenbühl, Zürich. 1951 Neurologischer Oberarzt unter Georgi, 1954 Studienreise in die USA (Washington) sowie Kanada (Toronto). 1954 Ernennung zum Oberarzt bei Rudolf Nissen sowie Leiter der Neurochirurgischen Abteilung innerhalb der Chirurgischen Universitätsklinik. 1958 Habilitation und 1964 Ernennung zum Extraordinarius der Neurochirurgie sowie Erteiilung eines Lehruftrages in der Neurochirurgie an der Universität Basel. Klingler hat 1968 seine Position in der Klinik aufgegeben und hat zur Firma Hoffmann Laroche gewechselt, wo er im selben Jahr zunächst Leiter einer Abteilung ("Medico-Vision") zur Fortbildung von Ärzten war. Danach Wechsel in die klinische Forschung.

Nachdem Nissen mit Driesen bereits einen fertig ausgebildeten, erfahrenen Neurochirurgen an seine Klinik geholt hatte, begann er nun mit Max Klingler, ihn in ein neurochirurgisches Trainingsprogramm einzubinden, das sich an dem orientierte, wie es in New York durch Leo Davidoff (1898-1975)  einem Cushing-Schüler, eingeführt wurde (Nissen 1969, S. 346). Davidoff, aus Litauen, damals zum russisches Zarenreich gehörend, hatte eine umfassende neurologische (Gordon Holmes, London) neuropathologische (Alfons Jakob (Hamburg) sowie psychiatrische Ausbildung erhalten und arbeitete 1929-1937 neurochirurgisch am New York Neurological Institute.

Klingler hatte bereits mit Robert Bing am Neurologischen Ambulatorium zusammengearbeitet und verfügte daher über ein hinreichendes neurologisches Rüstzeug. Wohl annehmend, daß Driesen ihn alsbald wieder verlassen würde, schickte Nissen Klingler zur Ausbildung zu Davidoff nach New York bzw. zu Tönnis nach Köln. Am 01.01.1955 übernahm Klingler die Leitung der neurochirurgischen Abteilung am Kantonsspital Basel bis 1968. Klinglers Oberarzt war André Lévy, der mehr stereotaktisch ausgerichtet war und Klinglers Nachfolger im Amt wurde. Die neurochirurgische Klinik war aber immer noch nicht selbständig sondern in die Klinik Martin Allgöwers, Nachfolger Nissens, integriert. Das Gleiche galt für Lévy. Erst mit der Berufung Gratzls, von München kommend (Frank Marguth, Tönnis-Schüler aus Köln) erhielt die neurochirurgische Klinik ihre Selbständigkeit .

 

 

André Lévy (7.6.1927-23.01.2007)

Levy wurde in Basel geboren und besaß das Bürgerrecht Bürgerrecht Le Peuchapatte, einem kleinen Bergdorf damals zum Kanton Bern, ab 1978 nach dessen Selbständigkeit zum Kanton Jura gehörig. Ab 1946 13 Semester Studium der Medizin in Basel, 1952 Staatsexamen, Promotion zum "Dr. med." 1952, danach Assistent bei Nissen, 1953-55 Tätigkeit in der Chirurgischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses Haifa, danach wieder Assistenzarzt bei Nissen, zwischen 1956-58 in Abteilung von Max Klingler. 1958/59 mit Stipendium der Schweizerischen Akademie für Medizinische Wissenschaften (SAMW) 6 Monate bei Prof. Marcel Monnier an der Uni Basel sowie bei Traugott Riechhert in Freiburg i.Br. mit Spezialisierung auf Stereotaxie. Levy führte ab 1959 die Stereotaxie an der Universitätsklinik Basel ein. 1960 Ernennung zum stellvertretenden Oberarzt, 1961 dann zum Oberarzt. Seit 1960 Mitglied der Schweizerischen Neurologischen Gesellschaft SNG sowie der Schweizerischen Gesellschaft für Neurochirurgie SGN. 1962 mittels Stipendium des Europarats Hospitation an mehreren neurochirurgischen Kliniken in Paris. 1967 Erteilung der Venia legendi und Ernennung zum Privatdozent und seit Herbst 1968 interimistisch Leiter der Neurochirurgischen Universitätsklinik Basel. Ernennung durch Basler Regierungsrat ab 01.10.1969 zum Persönlichen Ordinarius der Neurochirurgie. Lehnte 1969 einen Ruf an die George-Washington-University als Leiter der neurochirurgischen Abteilung ab. Levys Arbeitsschwerpunkte waren: Allgemeine neurochirurgische Kankkheitsbilder und Operationstechniken, pathophysiologische Probleme in der NC sowie funktionelle Neurochirurgie. 1979 Rücktritt von seinem Amt aus gesundheitlichen Gründen.

 

 

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